Mühlenberg

3. März 2020

„Abgelenkt ... ist NEBEN der Spur“

Ablenkung im Straßenverkehr stellt eine Problematik dar, die vor allem aufgrund immer vielfältigerer digitaler Möglichkeiten in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus gerückt ist. Dabei ist nicht nur die Anzahl der wahrgenommenen und geahndeten Verstöße nach § 23 Abs. 1a StVO gestiegen, sondern besonders in der Zielgruppe der jungen Fahranfängerinnen und Fahranfänger sind Smartphone, Tablet, Smartwatch oder kabellose Kopfhörer zu einem täglichen Begleiter im cybermobilen Leben geworden.
Dieses Verhalten wird nicht dadurch unterbrochen, dass diese Zielgruppe sich als Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführer hinter das Steuer eines Fahrzeuges setzt. Das Versterben an den Folgen eines Verkehrsunfalls stellt laut Angaben des Deutschen Verkehrssicherheitsrats e.V. zudem die Todesursache Nr. 1 bei den 15-29-jährigen dar, weswegen sich die Idee eines Verkehrspräventionsprojektes für eben diese Zielgruppe entwickelt hat.

Am 05.02.2020 fand in der Leonore-Goldschmidt-Schule im Rahmen einer Projektwoche für Schülerinnen und Schüler des 11. und 12. Jahrgangs die Veranstaltung „Abgelenkt … ist NEBEN der Spur“ der Polizeidirektion Hannover statt.
Das Projekt sensibilisiert für Gefahren durch Nutzung von Smartphone, Tablet, Smartwatch oder kabellosen Kopfhörern im Verkehr. Emotionale Vorträge beeindrucken die rund 250 Teilnehmer.

„Abgelenkt … ist NEBEN der Spur“ der Polizeidirektion Hannover in der Leonore-Goldschmidt-Schule

Die Veranstaltung wurde von Torben Abel vom Polizeikommissariat Ricklingen vorbereitet und verantwortlich durchgeführt. Insgesamt sind bei so einer Veranstaltung mindestens 8 bis 12 Personen eingebunden. Moderatoren, Protagonisten, Seelsorger, Schulpsychologen, Techniker und Helfer sorgen dafür, dass die Veranstaltung gelingt. Es ist eine Gratwanderung. Mit sehr emotionalen Bildern und Schilderungen von Beteiligten versuchen Beamte der Polizeidirektion Hannover, Schüler für Gefahren zu sensibilisieren, die aus der Nutzung von u.a. Mobiltelefonen im Straßenverkehr entstehen.

Die Filme und Schilderungen von Augenzeugen unter dem Titel „Abgelenkt … ist NEBEN der Spur“ sind dabei teilweise sehr belastend.
Die Organisatoren sind auf die möglichen Reaktionen der Schüler gut vorbereitet.
Zunächst verfolgen die etwa 130 Schülerinnen und Schüler des 12. Jahrgangs in der Aula die zum Teil schwer verdaulichen Beiträge. Ein großes Kreuz mit Grabkerzen auf der Bühne erzeugt dazu bei gedämpftem Licht eine bedrückende Stimmung.

Nach einer kurzen Begrüßung durch den Schulleiter Herrn Dr. Bax stellen sich die beiden Moderatoren Nora Hettwer und Christopher Seegers - beide Polizeiinspektion Hannover-Süd - den Schülern vor und berichten unter anderem von eigenen Erfahrungen aus dem privaten und dienstlichen Bereich, in denen der kurze Blick auf das Mobiltelefon oder auch das Abspielen von Musik über Kopfhörer zu gefährlichen Situationen geführt hat.

Abgelenkt … ist NEBEN der Spur

Die Schüler können ganz unterschiedlich auf die Veranstaltung reagieren. Denkbar seien sowohl Lach- als auch Weinkrämpfe. Notfalls könne jeder den Raum jederzeit verlassen. Eine Rückzugsmöglichkeit für diese Schüler ist im Raum vor der Aula eingerichtet. Die Hilfe der Schulsozialarbeiter und auch der vor Ort anwesenden Seelsorger Frau Hansen und Herr Müller nehmen während der Veranstaltung dann auch gleich mehrere Teilnehmer in Anspruch.
Dabei sind die Szenen in den Filmen an sich eher wenig schockierend. Keine Effekthascherei mit spektakulären Unfallszenen, blutverschmierten Opfern oder Leichen. Es geht vielmehr um die Schicksale der Menschen die unmittelbar oder auch nur mittelbar beteiligt sind, die durch eine Unaufmerksamkeit radikal verändert werden. „Nach einem Unfall mit nur einem Todesopfer sind einer Studie zufolge durchschnittlich 113 Menschen mit tiefen Einschnitten in ihrem Leben betroffen: Angehörige, Freunde, Bekannte, Zeugen, Einsatzkräfte“, rechnet Moderatorin Nora Hettwer vor.

Gemeinsam mit Christopher Seegers visualisiert sie dies mit einem einfachen Effekt: Jeder Schüler schreibt zu Beginn der Veranstaltung einen Wunsch auf einen Zettel, der dann auf einen Ballon geklebt wird. Der Ballon wird am Ende der Veranstaltung ohne Vorankündigung zum Platzen gebracht - Plötzlich, wie bei einem Unfall. Und immer wieder stellen die Referenten – Feuerwehrleute, Notfallseelsorger, Polizisten, Unfallzeugen und Angehörige von Opfern – Fragen wie: „Ist es das Checken einer Nachricht oder ein Telefonat wirklich wert, dass es ein Leben kosten kann?“

Menschen könnten keine zwei Dinge gleichzeitig mit gleicher Aufmerksamkeit erledigen, erklärt Christopher Seegers. Die Gefahren im Straßenverkehr lauern deshalb für Handynutzer überall. Im Film ist es die junge Fußgängerin, die die herannahende Stadtbahn nicht hört, weil sie Kopfhörer trägt. Oder der Autofahrer, der seinen Vater verliert und selbst schwer verletzt wird, weil der entgegenkommende Autofahrer telefonierend auf die falsche Fahrspur gerät. Die gezeigten Fälle sind echt. Genau wie die Verzweiflung der Mutter im Film, die fragt, wie es sich mit der Schuld leben lässt, wenn man „wegen so einer Kleinigkeit ein Menschenleben auf dem Gewissen hat“.

Am Ende der Veranstaltung scheinen die meisten Schüler des 12. Jahrgangs beim Verlassen der Aula sichtlich beeindruckt zu sein.

Nach einer kurzen Pause erscheint der 11. Jahrgang mit etwa 120 Schülerinnen und Schülern in der Aula und das Programm beginnt von vorne, diesmal jedoch mit zwei neuen Moderatoren. Daniel Ruhl und Uwe Goldelius vom Polizeikommissariat Ricklingen führen – genau so emotional und zum Nachdenken anregend wie die beiden Moderatoren zuvor – durch das Programm für den 11. Jahrgang.

In der Polizeidirektion Hannover sind insgesamt über 20 Kolleginnen und Kollegen als Moderatoren für das Projekt „Abgelenkt ist NEBEN der Spur“ beschult worden.
Eine von diesen Moderatorinnen ist Maria Klose, ebenfalls vom Polizeikommissariat Ricklingen. Ich habe die Schulung im letzten Jahr gemacht und für mich ist es spannend, die Kolleginnen und Kollegen als Moderatoren auf der Bühne zu sehen. Es war auch für mich beeindruckend zu sehen, wie viele Schülerinnen und Schüler den Tränen nahestanden und aufgrund der emotionalen Vorträge die Aula verlassen haben.
Auch wenn ich die gezeigten Filme schon sehr häufig gesehen habe, bin ich jedes Mal aufs Neue emotional berührt. Ich hoffe, dass das Projekt dazu beiträgt, dass die Nutzung des Mobiltelefons bei der Teilnahme am Straßenverkehr abnimmt. Die Lehrerin und zugleich auch Leiterin des 11. Jahrgangs, Frau Susan Dickti, ist gespannt auf das Feedback von den Schülerinnen und Schülern in den kommenden Tagen. Die Frage ist, ob die Schüler nach diesem Erlebnis ihr Verhalten dauerhaft ändern werden.

Das Angebot steht allen Schulen offen

Die Polizeidirektion Hannover bietet Veranstaltungen zu dem Thema „Abgelenkt … ist NEBEN der Spur“ für alle Schulen in der Region an. Allerdings müssen sich die Schulen selbst um das Angebot bemühen, wegen des organisatorischen Aufwands möglichst mit einigem zeitlichen Vorlauf. Zielgruppe sind Jugendliche, die gerade oder bald einen Führerschein machen, also der 11. oder 12. Jahrgang. In jeder Polizeiinspektion der Polizeidirektion Hannover gibt es in den Präventionsteams Ansprechpartner, die zu dem Projekt „Abgelenkt ist NEBEN der Spur“ Auskunft geben können. Auch Schulen aus anderen Bereichen dürfen sich dort melden. Sie werden dann an die zuständigen Stellen delegiert. Für Rückfragen steht Torben Abel vom Polizeikommissariat Ricklingen unter 0511 – 1093029 oder per Mail unter torben.abel@polizei.niedersachsen.de gerne zur Verfügung.

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